Das Wichtigste im Überblick
- Keine feste Anzahl gesetzlich vorgeschrieben: Es gibt keine allgemeingültige Regel, wie viele Abmahnungen vor einer Kündigung erforderlich sind – die Anzahl hängt von der Schwere und Art des Pflichtverstoßes ab
- Schwere Pflichtverstöße ohne Abmahnung kündbar: Bei besonders gravierenden Verstößen wie Diebstahl, Betrug oder groben Beleidigungen kann eine außerordentliche Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung ausgesprochen werden
- Abmahnung als Warnfunktion: Die Abmahnung dient primär dazu, dem Arbeitnehmer die Möglichkeit zur Verhaltensänderung zu geben – bei wiederholten gleichartigen Verstößen kann eine einzige Abmahnung ausreichen
Abmahnung und Kündigung im Arbeitsrecht
Du hast eine Abmahnung von deinem Arbeitgeber erhalten und fragst dich, was das für deine berufliche Zukunft bedeutet? Oder du bist Arbeitgeber und möchtest wissen, wie viele Abmahnungen du aussprechen musst, bevor eine Kündigung rechtssicher möglich ist?
Die Frage nach der Anzahl erforderlicher Abmahnungen vor einer Kündigung gehört zu den häufigsten im Arbeitsrecht – und gleichzeitig zu den am meisten missverstandenen. Viele glauben an die „Drei-Abmahnungen-Regel“, doch diese existiert rechtlich nicht. Die Wirklichkeit ist deutlich komplexer und hängt von zahlreichen Faktoren ab.
In diesem umfassenden Artikel erfährst du, welche rechtlichen Grundlagen gelten, wann Abmahnungen erforderlich sind, in welchen Fällen auch ohne Abmahnung gekündigt werden kann und wie du deine Rechte als Arbeitnehmer oder Arbeitgeber optimal wahrnimmst. Ein Anwalt für Arbeitsrecht kann dir dabei helfen, deine individuelle Situation richtig einzuschätzen und die richtigen Schritte einzuleiten.
Rechtliche Grundlagen der Abmahnung
Die Abmahnung ist ein wichtiges Instrument im Arbeitsrecht, das sowohl Arbeitnehmern als auch Arbeitgebern Rechtssicherheit bieten soll. Doch was genau ist eine Abmahnung und welche Funktion erfüllt sie?
Was ist eine Abmahnung?
Eine Abmahnung ist eine formelle Rüge des Arbeitgebers, mit der ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers beanstandet wird. Sie erfüllt dabei drei wesentliche Funktionen, die zusammenwirken müssen, um ihre rechtliche Wirkung zu entfalten. Zunächst hat sie eine Hinweisfunktion, indem der Arbeitnehmer auf sein konkretes Fehlverhalten aufmerksam gemacht wird. Gleichzeitig enthält sie eine Rügefunktion, durch die das Verhalten ausdrücklich missbilligt wird. Schließlich erfüllt sie eine Warnfunktion, indem dem Arbeitnehmer deutlich gemacht wird, dass bei erneutem Fehlverhalten arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zur Kündigung drohen.
Die Abmahnung ist rechtlich nicht explizit im Gesetz geregelt, sondern hat sich durch die Rechtsprechung als notwendige Vorstufe zur verhaltensbedingten Kündigung entwickelt. Sie dient damit als Brücke zwischen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und der Möglichkeit des Arbeitgebers, sich von einem pflichtwidrig handelnden Arbeitnehmer zu trennen.
Formale Anforderungen an eine Abmahnung
Damit eine Abmahnung rechtswirksam ist, muss sie bestimmte formale Anforderungen erfüllen. Die wichtigste Voraussetzung ist die konkrete Beschreibung des Fehlverhaltens. Es reicht nicht aus, pauschal von „schlechter Arbeitsleistung“ oder „unkooperativem Verhalten“ zu sprechen. Vielmehr muss genau dargelegt werden, was der Arbeitnehmer wann, wo und wie falsch gemacht hat. Am besten so detailliert wie möglich.Bei mehreren Verstößen bietet sich ein Protokoll an. Nur wenn der Arbeitnehmer genau weiß, welches konkrete Verhalten beanstandet wird, kann er sein Verhalten gezielt ändern.
Darüber hinaus muss ein klarer Bezug zu den vertraglichen Pflichten hergestellt werden. Es muss deutlich werden, welche arbeitsvertragliche Pflicht durch das konkrete Verhalten verletzt wurde. Die Abmahnung muss zudem eine zukunftsgerichtete Aufforderung enthalten, in der der Arbeitnehmer aufgefordert wird, das Fehlverhalten künftig zu unterlassen. Schließlich ist die Kündigungsandrohung unverzichtbar – es muss klar gemacht werden, dass bei Wiederholung des Verhaltens mit einer Kündigung zu rechnen ist.
Eine Abmahnung muss rechtlich nicht schriftlich erfolgen, jedoch ist eine Form, welche die Beweisführung sicherstellt, dringend anzuraten. Mündliche Abmahnungen sind zwar wirksam, aber im Streitfall schwer nachzuweisen und im Kündigungsschutzprozess stets problematisch. In der Praxis sollte daher immer die Schriftform gewählt werden.
Unterschied zwischen Abmahnung und Ermahnung
Wichtig ist die Unterscheidung zwischen Abmahnung und Ermahnung, die in der Praxis häufig verwechselt werden. Eine Ermahnung ist lediglich ein milder Hinweis auf ein Fehlverhalten ohne konkrete Kündigungsandrohung. Sie dokumentiert zwar, dass der Arbeitgeber mit einem bestimmten Verhalten nicht einverstanden ist, entfaltet aber keine rechtliche Wirkung als Vorstufe zur Kündigung. Eine Abmahnung dagegen enthält immer die ausdrückliche Warnung vor arbeitsrechtlichen Konsequenzen und kann als Grundlage für eine spätere Kündigung herangezogen werden. Nur die Abmahnung erfüllt damit die notwendige Warnfunktion, die das Kündigungsschutzrecht fordert.
Du hast eine Abmahnung erhalten und bist unsicher, ob diese rechtmäßig ist? Lass dich beraten, um deine Rechte zu wahren. Kontaktiere uns für ein erstes Gespräch.
Die Funktion der Abmahnung vor einer Kündigung
Die Abmahnung ist im deutschen Arbeitsrecht ein zentrales Element des Kündigungsschutzes. Sie soll dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragen und dem Arbeitnehmer die Chance geben, sein Verhalten zu korrigieren.
Prognoseprinzip im Kündigungsschutzrecht
Das Kündigungsschutzgesetz fordert, dass eine verhaltensbedingte Kündigung nur dann sozial gerechtfertigt ist, wenn eine negative Prognose für die Zukunft besteht. Mit anderen Worten: Der Arbeitgeber muss darlegen können, dass auch künftig mit Pflichtverstößen zu rechnen ist. Hier kommt die Abmahnung ins Spiel, denn sie dient als wesentlicher Beweis für diese negative Zukunftsprognose.
Die Abmahnung dokumentiert, dass der Arbeitnehmer auf sein Fehlverhalten hingewiesen wurde und ihm die Möglichkeit gegeben wurde, sein Verhalten zu ändern. Wenn der Arbeitnehmer trotz dieser Warnung erneut gegen seine Pflichten verstößt, zeigt dies, dass er nicht willens oder in der Lage ist, sein Verhalten anzupassen. Ohne vorherige Abmahnung kann der Arbeitgeber in der Regel nicht nachweisen, dass der Arbeitnehmer auch nach einer Warnung sein Verhalten nicht ändern wird. Die Abmahnung ist damit das Instrument, mit dem der Arbeitgeber die erforderliche negative Prognose belegen kann.
Interessenabwägung bei der Kündigung
Bei jeder Kündigung muss eine umfassende Interessenabwägung vorgenommen werden. Dabei sind verschiedene Faktoren zu berücksichtigen, die alle zusammen ein Gesamtbild ergeben. Die Schwere des Pflichtverstoßes spielt dabei eine zentrale Rolle, ebenso wie das Verschulden des Arbeitnehmers. Ein vorsätzlicher Verstoß wiegt schwerer als ein fahrlässiger, ein grob fahrlässiger Verstoß schwerer als ein nur leicht fahrlässiger.
Auch die Dauer der Betriebszugehörigkeit ist ein wichtiger Faktor. Wer seit vielen Jahren ohne Beanstandung im Betrieb tätig ist, genießt einen höheren Vertrauensschutz als ein neu eingestellter Mitarbeiter. Frühere Pflichtverstöße und bereits erteilte Abmahnungen müssen ebenso berücksichtigt werden wie die soziale Situation des Arbeitnehmers, etwa sein Alter, seine Unterhaltspflichten und seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt.
Die Abmahnung dokumentiert in diesem Zusammenhang, dass der Arbeitgeber zunächst versucht hat, das Arbeitsverhältnis zu erhalten und dem Arbeitnehmer eine Chance zur Besserung gegeben hat. Sie zeigt, dass mildere Mittel als die Kündigung bereits erfolglos angewendet wurden und die Kündigung damit das letzte verfügbare Mittel darstellt.
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit fordert, dass die Kündigung das letzte Mittel sein muss. Dieses Prinzip der „ultima ratio“ ist im Kündigungsschutzrecht fest verankert und bedeutet, dass vorher alle milderen Maßnahmen ausgeschöpft werden müssen. Zu diesen milderen Mitteln gehören zunächst klärende Gespräche und Ermahnungen, dann die formelle Abmahnung und gegebenenfalls auch Versetzungen auf einen anderen Arbeitsplatz, sofern dies möglich ist. Die Abmahnung ist dabei das zentrale mildere Mittel vor der Kündigung und bildet die Brücke zwischen dem bloßen Hinweis auf ein Fehlverhalten und der endgültigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Wie viele Abmahnungen sind vor einer Kündigung erforderlich?
Die wohl häufigste Frage im Zusammenhang mit Abmahnungen lautet: Wie viele Abmahnungen muss der Arbeitgeber aussprechen, bevor er kündigen darf? Die Antwort ist: Es kommt darauf an.
Der Mythos der „Drei-Abmahnungen-Regel“
Hartnäckig hält sich der Irrglaube, dass ein Arbeitgeber mindestens drei Abmahnungen aussprechen muss, bevor er kündigen darf. Diese Regel existiert rechtlich nicht. Weder im Gesetz noch in der Rechtsprechung findet sich eine feste Anzahl erforderlicher Abmahnungen. Diese weit verbreitete Fehlannahme führt in der Praxis häufig zu Missverständnissen auf beiden Seiten.
Die Anzahl der notwendigen Abmahnungen hängt vielmehr von einer Vielzahl von Faktoren ab, die im Einzelfall gegeneinander abgewogen werden müssen. Die Schwere des Pflichtverstoßes spielt dabei eine zentrale Rolle. Ein geringfügiges Zuspätkommen ist etwas anderes als eine schwere Beleidigung oder gar ein Diebstahl. Auch die Art des Fehlverhaltens ist relevant – verstößt der Arbeitnehmer gegen Pflichten im Vertrauensbereich oder im Leistungsbereich? Die bisherige Zuverlässigkeit des Arbeitnehmers und die Dauer der Betriebszugehörigkeit müssen ebenso berücksichtigt werden wie die konkreten Umstände des Einzelfalls.
Grundsatz: Eine Abmahnung kann ausreichen
Im Regelfall reicht eine einzige Abmahnung aus, wenn der Arbeitnehmer nach der Abmahnung denselben oder einen gleichartigen Pflichtverstoß begeht. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass ein durchschnittlicher Arbeitnehmer nach einer ordnungsgemäßen Abmahnung verstanden haben sollte, dass sein Verhalten nicht geduldet wird. Wer trotz dieser klaren Warnung erneut gegen seine Pflichten verstößt, zeigt damit, dass er nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, sein Verhalten zu ändern.
Ein typisches Beispiel verdeutlicht dies: Ein Arbeitnehmer kommt wiederholt zu spät zur Arbeit. Nach einer Abmahnung wegen Unpünktlichkeit kommt er erneut zu spät. In diesem Fall kann bereits nach der ersten Abmahnung eine verhaltensbedingte Kündigung gerechtfertigt sein, denn die Abmahnung hat deutlich gemacht, dass Unpünktlichkeit nicht toleriert wird. Der erneute Verstoß zeigt, dass der Arbeitnehmer diese Warnung ignoriert hat.
Mehrere Abmahnungen bei leichteren Verstößen
Bei leichteren Pflichtverstößen oder bei Arbeitnehmern mit langer Betriebszugehörigkeit und ansonsten untadeligem Verhalten können mehrere Abmahnungen erforderlich sein, bevor eine Kündigung ausgesprochen werden kann. Die Gerichte fordern hier eine besonders sorgfältige Interessenabwägung, die alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt.
Ein Arbeitnehmer, der 20 Jahre tadellos gearbeitet hat und zum ersten Mal durch Unpünktlichkeit auffällt, verdient unter Umständen mehr Vertrauen und weitere Chancen als ein Mitarbeiter, der seit Beginn seines Arbeitsverhältnisses immer wieder durch Pflichtverstöße auffällt. Die lange störungsfreie Zusammenarbeit begründet einen Vertrauensschutz, der nicht durch eine einzige Pflichtverletzung erschüttert werden sollte. Hier kann es gerechtfertigt sein, zwei oder sogar drei Abmahnungen abzuwarten, bevor zur Kündigung gegriffen wird.
Differenzierung nach Art des Pflichtverstoßes
Die erforderliche Anzahl der Abmahnungen hängt auch davon ab, ob es sich um denselben Verstoß oder unterschiedliche Verstöße handelt. Bei gleichartigen Verstößen ist die Rechtslage klar: Begeht der Arbeitnehmer nach einer Abmahnung wegen Unpünktlichkeit erneut einen Unpünktlichkeitsverstoß, ist in der Regel keine weitere Abmahnung erforderlich. Die erste Abmahnung hat bereits deutlich gemacht, dass dieses Verhalten nicht geduldet wird.
Anders verhält es sich bei verschiedenartigen Verstößen. Wird der Arbeitnehmer zunächst wegen Unpünktlichkeit und später wegen mangelhafter Arbeitsleistung abgemahnt, können beide Abmahnungen nicht ohne Weiteres zur Rechtfertigung einer Kündigung zusammengezählt werden. Jeder Pflichtverstoß betrifft einen anderen Bereich, sodass die Abmahnung wegen Unpünktlichkeit nicht als Warnung für den Bereich der Arbeitsqualität gelten kann. Hier müsste für jeden neuen Pflichtverstoffbereich grundsätzlich eine separate Abmahnung erfolgen, bevor eine Kündigung in Betracht kommt.
Steigerung der Pflichtverstöße
Steigern sich die Pflichtverstöße in ihrer Schwere, kann dies die Anzahl erforderlicher Abmahnungen reduzieren. Wenn ein Arbeitnehmer zunächst unhöflich zu Kollegen ist und dafür eine Abmahnung erhält, später aber einen Kollegen massiv beleidigt oder gar bedroht, kann bereits eine Kündigung ohne weitere Abmahnung gerechtfertigt sein. Die Steigerung von einem relativ milden zu einem schweren Verstoß zeigt, dass die Abmahnung ihre Wirkung verfehlt hat und der Arbeitnehmer sein Verhalten nicht nur nicht gebessert, sondern sogar verschlimmert hat.
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Fälle, in denen keine Abmahnung erforderlich ist
Es gibt Situationen, in denen eine Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung rechtmäßig ist. Dies gilt insbesondere bei besonders schweren Pflichtverstößen, bei denen eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist.
Schwerwiegende Pflichtverstöße
Bei besonders schweren Verstößen gegen arbeitsvertragliche Pflichten kann der Arbeitgeber sofort kündigen, ohne vorher abzumahnen. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass in solchen Fällen eine Abmahnung zwecklos wäre, weil nicht erwartet werden kann, dass der Arbeitnehmer sein Verhalten ändert. Bei diesen Verstößen ist das Vertrauensverhältnis so nachhaltig zerstört, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur für die Dauer der Kündigungsfrist unzumutbar erscheint.
Zu den typischen Beispielen gehört der Diebstahl oder die Unterschlagung von Eigentum des Arbeitgebers oder von Kollegen. Wer stiehlt, zeigt damit, dass er nicht vertrauenswürdig ist – und Vertrauen ist die Grundlage jedes Arbeitsverhältnisses. Hier muss der Arbeitgeber nicht erst abmahnen und darauf warten, ob der Arbeitnehmer beim nächsten Mal nicht mehr stiehlt. Das Gleiche gilt für Betrug und Urkundenfälschung, etwa das Fälschen von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, Spesenabrechnungen oder anderen Dokumenten. Solche vorsätzlichen Täuschungen rechtfertigen regelmäßig eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung.
Tätliche Angriffe gegen Kollegen, Vorgesetzte oder Kunden führen ebenfalls zur sofortigen Kündigung. Körperliche Gewalt am Arbeitsplatz ist inakzeptabel und stellt einen so schweren Verstoß dar, dass keine Abmahnung erforderlich ist. Auch bei schweren Beleidigungen kann eine sofortige Kündigung gerechtfertigt sein, wobei hier differenziert werden muss. Während leichtere verbale Entgleisungen zunächst abmahnfähig sind, können schwere Beleidigungen – etwa mit rassistischem, sexistischem oder extrem herabwürdigendem Inhalt – eine sofortige Kündigung rechtfertigen.
Sexuelle Belästigung, übergriffiges Verhalten gegenüber Kollegen oder Kunden, heimliche Konkurrenztätigkeit während des bestehenden Arbeitsverhältnisses und systematischer Arbeitszeitbetrug sind weitere Beispiele für Pflichtverstöße, die so schwerwiegend sind, dass eine Abmahnung nicht erforderlich ist.
Vorsätzliches Verhalten
Entscheidend ist oft, ob das Fehlverhalten vorsätzlich oder fahrlässig begangen wurde. Bei vorsätzlichen schweren Verstößen ist eine Abmahnung in der Regel entbehrlich, weil der Arbeitnehmer bewusst gegen seine Pflichten verstoßen hat. Wer vorsätzlich handelt, weiß, dass sein Verhalten falsch ist, und tut es trotzdem. In einem solchen Fall kann nicht erwartet werden, dass eine Abmahnung zu einer Verhaltensänderung führen würde. Der Arbeitnehmer hat sich bewusst entschieden, gegen seine Pflichten zu verstoßen – eine Warnung würde hier keinen Sinn machen.
Vertrauensbereich vs. Leistungsbereich
Die Rechtsprechung unterscheidet zwischen Pflichtverstößen im Vertrauensbereich und solchen im Leistungsbereich. Diese Unterscheidung ist für die Frage der Abmahnungserfordernis von großer Bedeutung. Verstöße im Vertrauensbereich wie Diebstahl, Betrug oder schwere Täuschungen betreffen das grundlegende Vertrauen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Ist dieses Vertrauen einmal zerstört, lässt es sich durch eine Abmahnung nicht wiederherstellen. Hier ist daher oft keine Abmahnung erforderlich.
Verstöße im Leistungsbereich dagegen betreffen die Arbeitsleistung selbst – Unpünktlichkeit, schlechte Arbeitsergebnisse oder das Nichtbefolgen von Anweisungen. Hier ist in der Regel eine Abmahnung erforderlich, denn der Arbeitnehmer soll die Chance bekommen, seine Leistung zu verbessern. Die Unterscheidung zwischen Vertrauens- und Leistungsbereich ist damit ein wichtiger Maßstab für die Frage, ob eine Abmahnung erforderlich ist. Kündigungen wegen “Lowperformance” sind hingegen nur schwer durchsetzbar, trotz aktuellen Entwicklungen in der Rechtsprechung.
Besonderheiten bei der außerordentlichen Kündigung
Die außerordentliche (fristlose) Kündigung nach § 626 BGB erfordert einen wichtigen Grund, der die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar macht. Bei Vorliegen eines solchen wichtigen Grundes ist in der Regel keine Abmahnung erforderlich, denn die außerordentliche Kündigung dient gerade dazu, in besonders schweren Fällen eine sofortige Beendigung zu ermöglichen.
Allerdings gilt auch hier keine absolute Regel. Bei weniger schweren Verstößen kann eine vorherige Abmahnung erforderlich sein, selbst wenn eine außerordentliche Kündigung angestrebt wird. Die Rechtsprechung prüft auch bei der außerordentlichen Kündigung, ob mildere Mittel – insbesondere eine Abmahnung oder eine ordentliche Kündigung – in Betracht gekommen wären. Nur wenn eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar ist, kommt eine außerordentliche Kündigung ohne Abmahnung in Betracht.
Du fragst dich, ob in deinem Fall eine Abmahnung erforderlich war? Lass deine Kündigung von einem Fachanwalt prüfen. Kontaktiere uns für eine Ersteinschätzung.
Verhaltensbedingte vs. personenbedingte Kündigung
Bei der Frage nach der Erforderlichkeit von Abmahnungen ist die Art der Kündigung entscheidend. Das Kündigungsschutzgesetz unterscheidet zwischen verschiedenen Kündigungsarten.
Verhaltensbedingte Kündigung
Die verhaltensbedingte Kündigung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer schuldhaft gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen hat. Typische Gründe sind:
- Arbeitsverweigerung
- Unpünktlichkeit
- Unentschuldigtes Fehlen
- Beleidigung von Kollegen oder Vorgesetzten
- Missachtung von Arbeitsanweisungen
- Verletzung von Sorgfaltspflichten
Bei der verhaltensbedingten Kündigung ist grundsätzlich eine Abmahnung erforderlich, es sei denn, es liegt ein besonders schwerer Pflichtverstoß vor.
Personenbedingte Kündigung
Die personenbedingte Kündigung knüpft an Eigenschaften oder Fähigkeiten des Arbeitnehmers an, die er nicht steuern kann. Typische Gründe sind:
- Langandauernde oder häufige Krankheit
- Verlust der Fahrerlaubnis (wenn für die Tätigkeit erforderlich)
- Verlust einer erforderlichen behördlichen Genehmigung
- Inhaftierung
Bei der personenbedingten Kündigung ist keine Abmahnung erforderlich, da der Arbeitnehmer sein Verhalten nicht steuern kann und eine Abmahnung daher zwecklos wäre.
Betriebsbedingte Kündigung
Die betriebsbedingte Kündigung beruht auf Gründen, die im Betrieb liegen (Rationalisierung, Auftragsmangel, Betriebsstilllegung). Auch hier ist keine Abmahnung erforderlich, da der Arbeitnehmer keinen Einfluss auf die betrieblichen Gegebenheiten hat.
Abgrenzungsschwierigkeiten in der Praxis
In der Praxis können Abgrenzungsschwierigkeiten auftreten, etwa bei:
- Minderleistung: Ist die schlechte Leistung auf mangelnde Fähigkeiten (personenbedingt) oder auf fehlende Anstrengung (verhaltensbedingt) zurückzuführen?
- Krankheit: Ist die häufige Krankheit tatsächlich gesundheitsbedingt (personenbedingt) oder täuscht der Arbeitnehmer Krankheit nur vor (verhaltensbedingt)?
Von dieser Abgrenzung hängt ab, ob eine Abmahnung erforderlich ist oder nicht.
Besondere Konstellationen und Fallgruppen
In der Praxis gibt es zahlreiche Sonderkonstellationen, bei denen die Frage nach der erforderlichen Anzahl von Abmahnungen besonders relevant ist.
Unpünktlichkeit und unentschuldigtes Fehlen
Unpünktlichkeit ist einer der häufigsten Abmahngründe. Hier gilt:
- Bei gelegentlichem Zuspätkommen ist zunächst eine Abmahnung erforderlich
- Bei wiederholtem Zuspätkommen nach Abmahnung kann bereits nach einer Abmahnung gekündigt werden
- Bei völligem unentschuldigtem Fernbleiben von der Arbeit über mehrere Tage kann unter Umständen sofort gekündigt werden
Beispiel aus der Rechtsprechung: Ein Arbeitnehmer, der nach einer Abmahnung wegen Unpünktlichkeit innerhalb weniger Wochen erneut mehrfach zu spät kommt, kann wirksam gekündigt werden.
Alkohol und Drogen am Arbeitsplatz
Der Konsum von Alkohol oder Drogen am Arbeitsplatz ist grundsätzlich abmahnfähig. Allerdings kommt es auf die Umstände an:
- Einmaliger Alkoholkonsum in geringem Umfang: Abmahnung erforderlich
- Arbeiten unter erheblichem Alkoholeinfluss: Kann ohne Abmahnung zur Kündigung führen
- Alkoholkonsum in sicherheitsrelevanten Bereichen (z.B. Busfahrer, Kranführer): Oft keine Abmahnung erforderlich
- Alkoholabhängigkeit: Kann personenbedingte Kündigung rechtfertigen (keine Abmahnung erforderlich)
Private Internetnutzung und Privattelefonate
Die unerlaubte private Nutzung von Internet oder Telefon während der Arbeitszeit ist grundsätzlich abmahnfähig. Eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung kommt nur in Betracht bei:
- Exzessiver Nutzung über einen längeren Zeitraum
- Abruf strafbarer oder jugendgefährdender Inhalte
- Vorsätzlicher Verstoß gegen ausdrückliche Verbote
Mobbing und Diskriminierung
Mobbing-Handlungen und diskriminierende Äußerungen sind schwerwiegende Pflichtverstöße. Je nach Schwere kann bereits ein einmaliger Vorfall eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen.
Leichtere Formen verbaler Unhöflichkeit erfordern dagegen zunächst eine Abmahnung.
Arbeitsverweigerung
Die beharrliche Weigerung, arbeitsvertraglich geschuldete Arbeiten auszuführen, kann je nach Umständen unterschiedlich bewertet werden:
- Erstmalige Weigerung aus Missverständnis: Abmahnung erforderlich
- Wiederholte oder grundlose Arbeitsverweigerung: Eine Abmahnung kann ausreichen
- Völlige Arbeitsverweigerung ohne jeden Grund: Kann unter Umständen ohne Abmahnung zur Kündigung führen
Beleidigung von Vorgesetzten oder Kollegen
Bei Beleidigungen ist zwischen leichteren verbalen Entgleisungen und schweren Ehrverletzungen zu unterscheiden:
- Leichtere Unhöflichkeit oder einmalige verbale Entgleisung: Abmahnung erforderlich
- Schwere Beleidigungen, insbesondere mit diskriminierendem Inhalt: Oft keine Abmahnung erforderlich
- Wiederholte Beleidigungen nach Abmahnung: Kündigung möglich
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Die Rolle der Betriebszugehörigkeit
Die Dauer der Betriebszugehörigkeit spielt bei der Frage nach der erforderlichen Anzahl von Abmahnungen eine wichtige Rolle.
Arbeitnehmer mit langer Betriebszugehörigkeit
Je länger ein Arbeitnehmer im Betrieb tätig ist und je untadeliger seine bisherige Führung war, desto eher sind mehrere Abmahnungen erforderlich, bevor eine Kündigung ausgesprochen werden kann.
Die Rechtsprechung berücksichtigt hier:
- Die Dauer der störungsfreien Zusammenarbeit
- Das Lebensalter des Arbeitnehmers
- Seine Unterhaltsverpflichtungen
- Die Chancen auf dem Arbeitsmarkt
Ein Arbeitnehmer, der 20 Jahre lang zuverlässig gearbeitet hat, genießt einen höheren Kündigungsschutz als ein Mitarbeiter in der Wartezeit.
Arbeitnehmer in der Wartezeit
Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) findet auf Arbeitsverhältnisse erst nach einer Wartezeit von sechs Monaten gem. § 1 Abs. 1 KSchG Anwendung – unabhängig davon, ob und wie lange eine Probezeit vereinbart wurde. Die Probezeit dient lediglich dazu, die Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 3 BGB zu verkürzen. Während der Wartezeit kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ohne Angabe von Gründen kündigen.
Dennoch kann auch in der Wartezeit eine Abmahnung sinnvoll sein:
- Um dem Arbeitnehmer die Chance zur Verbesserung zu geben
- Um bei einer späteren Kündigung nach der Wartezeit auf die Abmahnung verweisen zu können
- Aus Fairness-Gründen
Besonderer Kündigungsschutz
Bestimmte Arbeitnehmergruppen genießen besonderen Kündigungsschutz:
- Schwerbehinderte Menschen (§ 168 SGB IX)
- Schwangere und Mütter bis vier Monate nach der Entbindung (§ 17 MuSchG)
- Betriebsratsmitglieder (§ 15 KSchG)
- Auszubildende nach der Probezeit (§ 22 BBiG)
Bei diesen Gruppen sind die Anforderungen an eine rechtmäßige Kündigung besonders hoch, was oft auch mehr Abmahnungen erforderlich macht.
Fehlerhafte Abmahnungen und ihre Folgen
Nicht jede vom Arbeitgeber ausgesprochene Abmahnung ist rechtlich wirksam. Fehlerhafte Abmahnungen können nicht als Grundlage für eine spätere Kündigung dienen.
Häufige Fehler bei Abmahnungen
1. Unzureichende Konkretisierung: Die Abmahnung beschreibt das Fehlverhalten nur vage (z.B. „Sie arbeiten nicht ordentlich“) ohne konkrete Angabe von Datum, Uhrzeit und genauem Verhalten.
2. Fehlende Kündigungsandrohung: Ohne ausdrückliche Warnung vor arbeitsrechtlichen Konsequenzen liegt keine Abmahnung, sondern nur eine Ermahnung vor.
3. Unverhältnismäßigkeit: Die Abmahnung betrifft ein Fehlverhalten, das keine Abmahnung rechtfertigt (z.B. einmalige minimale Unpünktlichkeit von zwei Minuten).
4. Verspätung: Liegt das abgemahnte Verhalten sehr lange zurück, kann die Abmahnung unwirksam sein.
5. Falsche Tatsachenbehauptungen: Beruht die Abmahnung auf falschen Tatsachen, ist sie unwirksam.
Rechte des Arbeitnehmers bei fehlerhafter Abmahnung
Der Arbeitnehmer kann gegen eine fehlerhafte Abmahnung vorgehen:
- Gegendarstellung: Der Arbeitnehmer kann eine schriftliche Gegendarstellung verfassen, die zur Personalakte genommen werden muss.
- Entfernung aus der Personalakte: Bei einer rechtswidrigen Abmahnung kann der Arbeitnehmer die Entfernung aus der Personalakte verlangen, notfalls im Wege einer Klage vor dem Arbeitsgericht.
- Widerspruch: Der Arbeitnehmer sollte schriftlich gegen die Abmahnung Widerspruch einlegen und die Entfernung fordern.
Eine unwirksame Abmahnung kann nicht als Grundlage für eine spätere Kündigung herangezogen werden. Stützt der Arbeitgeber eine Kündigung auf unwirksame Abmahnungen, ist auch die Kündigung unwirksam.
Verjährung von Abmahnungen
Abmahnungen „verjähren“ nicht im eigentlichen Sinne, verlieren aber mit der Zeit an Bedeutung. Nach der Rechtsprechung gilt:
- Nach zwei bis drei Jahren verliert eine Abmahnung in der Regel ihre Warnfunktion
- Bei sehr langer störungsfreier Zeit kann eine alte Abmahnung nicht mehr zur Begründung einer Kündigung herangezogen werden
- Die konkrete Frist hängt von der Schwere des Verstoßes und dem gezeigten Wohlverhalten ab
Du hast eine Abmahnung erhalten, die du für ungerechtfertigt hältst? Lass sie rechtlich prüfen und wehre dich rechtzeitig. Kontaktiere uns für eine Beratung.
Handlungsempfehlungen für Arbeitnehmer
Als Arbeitnehmer solltest du bei Erhalt einer Abmahnung strategisch und überlegt vorgehen.
Sofortmaßnahmen nach Erhalt einer Abmahnung
1. Ruhe bewahren: Reagiere nicht emotional oder impulsiv. Eine übereilte Reaktion kann die Situation verschlimmern.
2. Abmahnung prüfen: Analysiere die Abmahnung genau:
- Ist das Fehlverhalten konkret beschrieben?
- Stimmen die Vorwürfe?
- Ist die Abmahnung verhältnismäßig?
3. Beweise sichern: Sammle Beweise, die deine Version der Ereignisse stützen:
- Zeugenaussagen von Kollegen
- E-Mails oder andere Dokumente
- Zeitnachweise
4. Rechtlichen Rat einholen: Konsultiere zeitnah einen Fachanwalt für Arbeitsrecht oder deinen Betriebsrat.
Gegendarstellung verfassen
Eine Gegendarstellung sollte:
- Sachlich formuliert sein
- Konkret auf die Vorwürfe eingehen
- Eigene Sichtweise darlegen
- Beweise benennen
- Zur Personalakte genommen werden
Eine Gegendarstellung schwächt die Wirkung der Abmahnung nicht unmittelbar, dokumentiert aber deine Sicht der Dinge für eventuelle spätere Verfahren.
Entfernung der Abmahnung durchsetzen
Bei einer ungerechtfertigten Abmahnung solltest du:
- Schriftlich die Entfernung aus der Personalakte fordern
- Eine angemessene Frist setzen (z.B. zwei Wochen)
- Bei Ablehnung: Klage beim Arbeitsgericht erwägen
Die Erfolgsaussichten hängen davon ab, ob die Abmahnung rechtlich haltbar ist.
Verhalten nach Abmahnung
Nach Erhalt einer Abmahnung ist besondere Vorsicht geboten:
- Vermeide unbedingt weitere Verstöße, insbesondere gleichartige
- Dokumentiere deine Arbeitsleistung und dein Verhalten
- Halte dich strikt an alle Arbeitsanweisungen
- Sammle positive Rückmeldungen
Jeder weitere Verstoß kann nun zur Kündigung führen.
Handlungsempfehlungen für Arbeitgeber
Auch Arbeitgeber sollten bei der Erteilung von Abmahnungen sorgfältig vorgehen, um rechtliche Fehler zu vermeiden.
Voraussetzungen für eine wirksame Abmahnung
1. Sorgfältige Prüfung: Vor Erteilung einer Abmahnung sollte der Sachverhalt gründlich aufgeklärt werden:
- Stimmen die Vorwürfe?
- Gibt es Zeugen oder Beweise?
- Wurde der Arbeitnehmer angehört?
2. Verhältnismäßigkeit: Die Abmahnung muss dem Verstoß angemessen sein. Nicht jede Kleinigkeit rechtfertigt eine Abmahnung.
3. Zeitnahe Reaktion: Die Abmahnung sollte zeitnah nach Bekanntwerden des Fehlverhaltens erfolgen. Lange Verzögerungen können die Wirksamkeit in Frage stellen.
4. Formale Korrektheit: Die Abmahnung sollte schriftlich erfolgen und alle erforderlichen Elemente enthalten.
Dokumentation und Personalakte
- Abmahnungen sollten zur Personalakte genommen werden
- Ggf. sollte sich der Arbeitnehmer den Erhalt quittieren lassen
- Eine Kopie sollte für eventuelle spätere Rechtsstreitigkeiten aufbewahrt werden
Anhörung des Betriebsrats
Besteht ein Betriebsrat, sollte dieser informiert werden, auch wenn bei Abmahnungen keine Mitbestimmungspflicht besteht. Bei einer späteren Kündigung ist die Anhörung des Betriebsrats ohnehin erforderlich, und die vorherigen Abmahnungen spielen dabei eine Rolle.
Eskalationsstrategie
Arbeitgeber sollten eine klare Eskalationsstrategie verfolgen:
- Stufe: Informelles Gespräch
- Stufe: Ermahnung (ohne Kündigungsandrohung)
- Stufe: Abmahnung
- Stufe: Bei erneutem Verstoß: Kündigung
Diese abgestufte Vorgehensweise zeigt, dass mildere Mittel ausgeschöpft wurden.
Praktische Checkliste: Abmahnung und Kündigung
Für Arbeitnehmer:
Nach Erhalt einer Abmahnung:
- Abmahnung sorgfältig lesen und prüfen
- Nicht sofort emotional reagieren
- Beweise und Dokumente sichern
- Rechtsberatung einholen (Anwalt, Betriebsrat, Gewerkschaft)
- Ggf. Gegendarstellung verfassen
- Bei Ungerechtigkeit: Entfernung fordern
- Verhalten anpassen und weitere Verstöße vermeiden
- Positive Leistungsnachweise sammeln
Bei drohender Kündigung:
- Fristen für Kündigungsschutzklage beachten (3 Wochen!)
- Arbeitszeugnis anfordern
- Anspruch auf Arbeitslosengeld prüfen
- Alternative Beschäftigungsmöglichkeiten im Betrieb prüfen
Für Arbeitgeber:
Vor Erteilung einer Abmahnung:
- Sachverhalt gründlich aufklären
- Arbeitnehmer anhören
- Zeugen befragen
- Beweise sichern
- Verhältnismäßigkeit prüfen
- Frühere Vorfälle berücksichtigen
Bei der Abmahnung:
- Schriftform wählen
- Konkretes Fehlverhalten mit Datum beschreiben
- Vertragsverstoß benennen
- Aufforderung zur Verhaltensänderung
- Kündigungsandrohung aussprechen
- Zur Personalakte nehmen
- Empfangsbestätigung einholen
Vor einer Kündigung:
- Prüfen, ob Abmahnung(en) vorliegen
- Prüfen, ob gleichartiger Verstoß vorliegt
- Interessenabwägung vornehmen
- Betriebsrat anhören (wenn vorhanden)
- Kündigungsfristen beachten
- Formvorschriften einhalten
Einzelfallbetrachtung ist entscheidend
Die Frage „Wie oft muss abgemahnt werden vor einer Kündigung?“ lässt sich nicht pauschal beantworten. Das deutsche Arbeitsrecht kennt keine feste „Drei-Abmahnungen-Regel“ oder ähnliche starre Vorgaben.
Entscheidend ist immer der Einzelfall unter Berücksichtigung zahlreicher Faktoren:
- Die Schwere des Pflichtverstoßes
- Die Art des Fehlverhaltens (Vertrauens- oder Leistungsbereich)
- Die bisherige Zuverlässigkeit des Arbeitnehmers
- Die Dauer der Betriebszugehörigkeit
- Die soziale Situation
- Das Verschulden
- Die Wiederholungsgefahr
Grundsätzlich gilt: Bei leichteren bis mittelschweren Pflichtverstößen ist mindestens eine Abmahnung erforderlich. Bei besonders schweren Verstößen kann auch ohne Abmahnung gekündigt werden. Bei sehr langer Betriebszugehörigkeit und ansonsten tadellosen Verhalten können auch mehrere Abmahnungen notwendig sein.
Sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber sollten bei Abmahnungen und Kündigungen rechtlichen Rat einholen, um Fehler zu vermeiden und ihre Rechte zu wahren. Eine sorgfältige Dokumentation und Beweissicherung ist in beiden Rollen essentiell.
Die Abmahnung dient letztlich dem Schutz des Arbeitnehmers, indem sie ihm die Chance gibt, sein Verhalten zu korrigieren. Gleichzeitig gibt sie dem Arbeitgeber ein rechtssicheres Instrument an die Hand, um auf Pflichtverstöße zu reagieren, ohne sofort zur Kündigung greifen zu müssen.
Du hast Fragen zu Abmahnungen oder Kündigungen? kumkar & co berät dich umfassend zu allen arbeitsrechtlichen Fragen. Vereinbare jetzt einen Beratungstermin und sichere deine Rechte.
Häufig gestellte Fragen
Wie viele Abmahnungen braucht man für eine Kündigung?
Es gibt keine feste Anzahl. Im Regelfall reicht eine Abmahnung aus, wenn der Arbeitnehmer nach der Abmahnung einen gleichartigen Pflichtverstoß begeht. Bei schweren Verstößen kann sogar ohne Abmahnung gekündigt werden, bei leichten Verstößen oder langer Betriebszugehörigkeit können mehrere Abmahnungen erforderlich sein.
Kann man nach drei Abmahnungen gekündigt werden?
Die „Drei-Abmahnungen-Regel“ existiert rechtlich nicht. Bereits nach einer Abmahnung kann bei erneutem gleichartigen Verstoß gekündigt werden. Umgekehrt können auch drei Abmahnungen nicht ausreichen, wenn sie verschiedene Pflichtverstöße betreffen.
Wann ist keine Abmahnung vor Kündigung nötig?
Bei besonders schweren Pflichtverstößen wie Diebstahl, Betrug, Urkundenfälschung, tätlichen Angriffen, schweren Beleidigungen oder Arbeitszeitbetrug kann ohne vorherige Abmahnung gekündigt werden. Auch bei personenbedingten und betriebsbedingten Kündigungen ist keine Abmahnung erforderlich.
Wie lange ist eine Abmahnung gültig?
Abmahnungen „verjähren“ nicht im rechtlichen Sinne, verlieren aber mit der Zeit an Bedeutung. Nach etwa zwei bis drei Jahren störungsfreier Zusammenarbeit verliert eine Abmahnung in der Regel ihre Warnfunktion. Die konkrete Frist hängt vom Einzelfall ab.
Kann ich gegen eine Abmahnung vorgehen?
Ja, du kannst eine Gegendarstellung verfassen, die zur Personalakte genommen werden muss. Bei ungerechtfertigten Abmahnungen kannst du die Entfernung aus der Personalakte verlangen, notfalls durch Klage beim Arbeitsgericht.
Muss eine Abmahnung schriftlich erfolgen?
Rechtlich kann eine Abmahnung auch mündlich erfolgen, jedoch ist die Schriftform aus Beweisgründen dringend zu empfehlen. In einem späteren Kündigungsschutzprozess muss der Arbeitgeber die Abmahnung beweisen können.
Was passiert, wenn die Abmahnung fehlerhaft ist?
Eine fehlerhafte Abmahnung (z.B. unzureichend konkretisiert, ohne Kündigungsandrohung oder auf falschen Tatsachen beruhend) kann nicht als Grundlage für eine spätere Kündigung herangezogen werden. Eine auf fehlerhafte Abmahnungen gestützte Kündigung ist unwirksam.
Kann man trotz Abmahnung weiterbeschäftigt werden?
Ja, eine Abmahnung ist kein Kündigungsgrund, sondern eine Warnung. Sie soll dem Arbeitnehmer die Möglichkeit geben, sein Verhalten zu ändern. Viele Arbeitnehmer arbeiten nach einer Abmahnung jahrelang erfolgreich weiter.
Gilt die Abmahnpflicht auch in der Wartezeit?
Das Kündigungsschutzgesetz gilt in der Wartezeit (erste sechs Monate nach § 1 Abs. 1 KSchG) nicht, sodass auch ohne Abmahnung gekündigt werden kann. Dennoch kann eine Abmahnung aus Fairnessgründen sinnvoll sein und dokumentiert den Kündigungsgrund.
Was ist der Unterschied zwischen Abmahnung und Ermahnung?
Eine Ermahnung ist ein milder Hinweis auf ein Fehlverhalten ohne Kündigungsandrohung. Eine Abmahnung enthält immer die ausdrückliche Warnung vor arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis hin zur Kündigung. Nur die Abmahnung kann als Vorstufe zur Kündigung dienen.