Vorweggenommene Erbfolge: Auszahlung der Geschwister rechtssicher gestalten

Die vorweggenommene Erbfolge ermöglicht die frühzeitige Vermögensübertragung auf ein Kind. Geschwister müssen nur bei Ausstattungen automatisch oder bei testamentarischer Anordnung ausgezahlt werden. Pflichtteilsergänzungsansprüche nach § 2325 BGB schmelzen jährlich um ein Zehntel ab. Bei Immobilien gilt das Niederstwertprinzip. Steuerlich sollte die Auszahlung als Auflage der Eltern gestaltet werden, um Freibeträge optimal zu nutzen. Frühzeitige Planung und notarielle Beurkundung vermeiden Familienstreit.

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Das Wichtigste im Überblick

Wenn ein Geschwisterkind das Elternhaus übernimmt

Deine Eltern möchten dir das Familienhaus oder den Betrieb bereits zu Lebzeiten übertragen? Eine vorweggenommene Erbfolge kann steuerliche Vorteile bringen und die Vermögensnachfolge frühzeitig regeln. Doch was passiert mit deinen Geschwistern? Müssen sie ausgezahlt werden? Und wie lässt sich eine faire Lösung finden, die niemanden benachteiligt?

Die vorweggenommene Erbfolge mit Auszahlung der Geschwister ist eine der häufigsten – und zugleich konfliktträchtigsten – Gestaltungen im Erbrecht. Ohne klare Regelungen drohen jahrelange Rechtsstreitigkeiten, die Familien zerbrechen lassen können. Ein Anwalt für Erbrecht kann dir helfen, von Anfang an die richtigen Weichen zu stellen. In diesem umfassenden Artikel erfährst du, welche rechtlichen Grundlagen gelten, welche Gestaltungsmöglichkeiten existieren und wie du eine faire und rechtssichere Lösung für alle Beteiligten erreichst.

Rechtliche Grundlagen der vorweggenommenen Erbfolge

Die vorweggenommene Erbfolge – auch vorgezogene Erbfolge oder Vermögensübertragung zu Lebzeiten genannt – bezeichnet die Übertragung von Vermögen bereits vor dem Tod des Erblassers. Anders als beim klassischen Erbfall nach dem Tod können Eltern so aktiv mitgestalten, wer was bekommt und unter welchen Bedingungen.

Was ist eine vorweggenommene Erbfolge?

Bei der vorweggenommenen Erbfolge überträgt der Vermögensinhaber Teile oder sein gesamtes Vermögen bereits zu Lebzeiten auf die künftigen Erben. Dies kann verschiedene Formen annehmen:

  • Übertragung von Immobilien (Grundstücke, Häuser, Wohnungen)
  • Übergabe eines Unternehmens oder Betriebs
  • Schenkung von Geldvermögen oder Wertpapieren
  • Übertragung von Gesellschaftsanteilen

Der entscheidende Unterschied zum normalen Erbfall: Die Übertragung erfolgt durch einen Schenkungsvertrag, nicht durch Testament oder gesetzliche Erbfolge. Dadurch gelten andere Rechtsregeln, insbesondere das Schenkungsrecht der Paragrafen 516 bis 534 BGB.

Unterschied zur Schenkung

Rechtlich gesehen ist die vorweggenommene Erbfolge eine Schenkung. Sie unterscheidet sich von gewöhnlichen Schenkungen jedoch durch ihren Zweck: Sie dient der gezielten Vermögensnachfolge und wird ausdrücklich im Hinblick auf den späteren Erbfall vorgenommen.

Diese Einordnung hat wichtige Konsequenzen: Schenkungen können unter bestimmten Voraussetzungen zurückgefordert werden, sie unterliegen der Schenkungsteuer und können Pflichtteilsergänzungsansprüche auslösen.

Gesetzliche Ausgleichspflicht unter Geschwistern

Eine zentrale Frage bei der vorweggenommenen Erbfolge lautet: Müssen Schenkungen zu Lebzeiten später im Erbfall ausgeglichen werden? Die Antwort findet sich in § 2050 BGB.

Nach dieser Vorschrift sind Abkömmlinge (also Kinder) grundsätzlich verpflichtet, bestimmte Zuwendungen der Eltern bei der Erbteilung untereinander auszugleichen. Die Ausgleichungspflicht besteht für Ausstattungen nach § 2050 Abs. 1 BGB automatisch, während andere Zuwendungen nur dann ausgeglichen werden müssen, wenn der Erblasser dies ausdrücklich anordnet.

Als Ausstattungen gelten Zuwendungen zu bestimmten Zwecken:

  • Ausstattungen (z.B. zur Begründung einer Lebensstellung, Hochzeit, Berufsausbildung)
  • Zuschüsse bei der Existenzgründung

Wichtig: Eine normale Schenkung – auch eine Immobilie – unterliegt nicht automatisch der Ausgleichspflicht nach § 2050 BGB. Die Ausgleichspflicht besteht nur, wenn der Erblasser dies ausdrücklich angeordnet hat oder wenn es sich um eine klassische Ausstattung handelt.

Das bedeutet für die Praxis: Ohne testamentarische Anordnung muss ein beschenktes Kind die erhaltene Immobilie oder den Geldbetrag im Erbfall nicht mit seinen Geschwistern teilen.

Du möchtest Vermögen auf ein Kind übertragen, ohne dass später Streit entsteht? Lass dich frühzeitig beraten, um klare Regelungen zu treffen. Kontaktiere uns für ein erstes Gespräch.

Auszahlung der Geschwister: Wann ist sie erforderlich?

Die Frage, ob und wann Geschwister bei einer vorweggenommenen Erbfolge ausgezahlt werden müssen, lässt sich nicht pauschal beantworten. Es kommt auf die konkrete Gestaltung und die Wünsche der Eltern an.

Keine automatische Auszahlungspflicht

Rechtlich besteht keine automatische Verpflichtung, Geschwister bei einer Schenkung auszuzahlen. Wenn Eltern ihr Haus zu Lebzeiten auf ein Kind übertragen, können die anderen Kinder daraus zunächst keine Ansprüche ableiten – vorausgesetzt, es liegt keine ausdrückliche Anordnung vor.

Die Geschwister haben jedoch potenziell Pflichtteilsergänzungsansprüche nach § 2325 BGB, wenn die Schenkung weniger als zehn Jahre vor dem Erbfall erfolgt ist. Der anrechenbare Wert schmilzt jährlich um ein Zehntel des Schenkungswerts ab. Diese Ansprüche richten sich aber gegen die Erben, nicht direkt gegen das beschenkte Geschwisterkind.

Freiwillige Auszahlung zur Konfliktvermeidung

Viele Eltern möchten dennoch eine faire Lösung für alle Kinder finden. Sie entscheiden sich bewusst dafür, das beschenkte Kind zur Auszahlung seiner Geschwister zu verpflichten. Dies geschieht aus verschiedenen Gründen:

  • Erhalt des Familienfriedens
  • Gefühl der Gerechtigkeit
  • Vermeidung späterer Pflichtteilsansprüche
  • Ausgleich unterschiedlicher Vermögenswerte

Eine solche Auszahlungsverpflichtung kann im Schenkungsvertrag oder im Testament festgelegt werden.

Testamentarische Anordnung der Ausgleichspflicht

Eltern können in ihrem Testament ausdrücklich anordnen, dass eine Schenkung bei der Erbteilung auszugleichen ist. Nach § 2050 Abs. 3 BGB reicht dafür eine entsprechende Bestimmung des Erblassers.

Eine solche Anordnung könnte lauten: „Die Übertragung des Grundstücks auf unseren Sohn soll bei der Erbauseinandersetzung auf seinen Erbteil angerechnet werden.“

Diese Regelung führt dazu, dass der Wert der Schenkung rechnerisch vom Erbteil des beschenkten Kindes abgezogen wird. Ist der Wert der Schenkung höher als der spätere Erbteil, muss das Kind zwar nichts zurückzahlen, erhält aber auch nichts mehr aus dem Nachlass.

Vertragliche Vereinbarung im Schenkungsvertrag

Alternativ kann die Auszahlungsverpflichtung bereits im Schenkungsvertrag geregelt werden. Dabei verpflichtet sich das beschenkte Kind, seinen Geschwistern bestimmte Beträge zu zahlen – entweder sofort oder im Erbfall.

Beispielformulierung: „Der Beschenkte verpflichtet sich, jedem seiner Geschwister im Zeitpunkt des Todes beider Elternteile einen Betrag von 100.000 Euro auszuzahlen.“

Solche Vereinbarungen sollten notariell beurkundet werden, um ihre Wirksamkeit sicherzustellen.

Bewertung des übertragenen Vermögens

Eine der größten Herausforderungen bei der Auszahlung von Geschwistern ist die Bewertung des übertragenen Vermögens. Wieviel ist das Haus, der Betrieb oder das Grundstück wert? Und zu welchem Zeitpunkt wird bewertet?

Zeitpunkt der Bewertung

Bei Immobilien und anderen nicht verbrauchbaren Gegenständen wird nach § 2325 Abs. 2 BGB in der Regel der Wert zum Zeitpunkt des Erbfalls berücksichtigt, es sei denn, er war zur Zeit der Schenkung niedriger. Dieses sogenannte Niederstwertprinzip soll verhindern, dass durch Marktwertverluste ungerechtfertigte Vorteile entstehen.

Beispiel: Die Eltern übertragen 2015 ein Grundstück im Wert von 200.000 Euro. Bis zum Erbfall 2025 steigt der Wert auf 400.000 Euro. Für die Pflichtteilsergänzung wird grundsätzlich der Wert zum Erbfall (400.000 Euro) herangezogen, da er höher ist als der Schenkungswert.

Diese Regelung kann zu Ungerechtigkeiten führen, weshalb viele Eltern im Testament oder Schenkungsvertrag ausdrücklich festlegen, welcher Wert maßgeblich sein soll.

Bewertungsmethoden für Immobilien

Für die Bewertung von Immobilien gibt es verschiedene Methoden:

  • Verkehrswert: Der Preis, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielt werden könnte
  • Gutachten: Erstellung durch einen Sachverständigen
  • Bodenrichtwerte: Orientierung an den offiziellen Werten der Gutachterausschüsse
  • Vergleichswertverfahren: Heranziehung vergleichbarer Verkäufe

Im Streitfall kann ein gerichtliches Gutachten eingeholt werden. Um Konflikte zu vermeiden, empfiehlt sich bereits bei der Übertragung die Beauftragung eines unabhängigen Gutachters.

Wertveränderungen und Investitionen

Besonders problematisch wird es, wenn das beschenkte Kind nach der Übertragung erhebliche Investitionen in die Immobilie tätigt – etwa durch Sanierung, Anbau oder Modernisierung. Sollten diese Wertsteigerungen bei einer späteren Ausgleichspflicht berücksichtigt werden?

Die Rechtsprechung, etwa das OLG München, hat klargestellt, dass der Fristbeginn der Pflichtteilsergänzung bei Grundstücksübertragungen mit lebenslangem Nießbrauch erst ab Erlöschen des Vorbehalts startet. Wertsteigerungen können zu Gunsten des Beschenkten angerechnet werden, wenn sie auf eigenen Investitionen beruhen und vertraglich oder testamentarisch Berücksichtigung finden.

Du planst die Übertragung einer Immobilie auf ein Kind und möchtest faire Bewertungsregelungen treffen? kumkar & co hilft dir bei der rechtssicheren Gestaltung. Vereinbare einen Beratungstermin.

Pflichtteilsergänzungsansprüche bei der vorweggenommenen Erbfolge

Selbst wenn die Geschwister bei der Schenkung nicht ausgezahlt werden, können sie später Ansprüche geltend machen – nämlich in Form von Pflichtteilsergänzungsansprüchen nach § 2325 BGB.

Grundlagen des Pflichtteilsergänzungsanspruchs

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch gibt pflichtteilsberechtigten Personen das Recht, bei der Pflichtteilsberechnung Schenkungen zu berücksichtigen, die der Erblasser in den letzten zehn Jahren vor seinem Tod vorgenommen hat.

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch vermindert sich für jedes seit der Schenkung verstrichene Jahr um ein Zehntel des Schenkungswerts. Nach zehn vollen Jahren bleibt die Schenkung außen vor.

Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs

Die Berechnung erfolgt in mehreren Schritten:

  • Ermittlung des tatsächlichen Nachlasses
  • Hinzurechnung der Schenkungen der letzten zehn Jahre (mit Abschmelzung)
  • Berechnung des fiktiven Nachlasses
  • Ermittlung des Pflichtteils (Hälfte des gesetzlichen Erbteils)
  • Abzug des tatsächlich Erhaltenen
  • Ergebnis: Pflichtteilsergänzungsanspruch

Beispiel: Die Eltern haben drei Kinder. 2020 übertragen sie ein Haus im Wert von 600.000 Euro auf Kind A. 2025 verstirbt der Vater, der Nachlass beträgt noch 300.000 Euro. Kind B und C erhalten nichts.

Berechnung für Kind B:

  • Tatsächlicher Nachlass: 300.000 Euro
  • Schenkung (5 Jahre her, Abschmelzung 50 %): 300.000 Euro
  • Fiktiver Nachlass: 600.000 Euro
  • Gesetzlicher Erbteil: 1/3 = 200.000 Euro
  • Pflichtteil: 100.000 Euro
  • Tatsächlich erhalten: 0 Euro
  • Pflichtteilsergänzungsanspruch: 100.000 Euro

Kind B und C können somit jeweils 100.000 Euro vom Erben (möglicherweise Kind A) verlangen.

Vermeidung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen

Um Pflichtteilsergänzungsansprüche zu minimieren oder zu vermeiden, gibt es verschiedene Strategien:

  • Frühzeitige Übertragung: Je früher die Schenkung erfolgt, desto mehr schmilzt der Anspruch ab
  • Pflichtteilsverzicht: Vereinbarung eines notariellen Pflichtteilsverzichts gegen Abfindung
  • Anrechnungsbestimmung: Festlegung, dass die Schenkung auf einen späteren Erbteil angerechnet wird
  • Ausgleichszahlungen: Sofortige oder gestaffelte Auszahlung der Geschwister

Pflichtteilsergänzungsansprüche können erhebliche finanzielle Belastungen nach sich ziehen. Eine vorausschauende Planung ist entscheidend. Lass dich beraten, um unangenehme Überraschungen zu vermeiden.

Steuerliche Aspekte der vorweggenommenen Erbfolge

Die vorweggenommene Erbfolge hat erhebliche steuerliche Auswirkungen – sowohl für das beschenkte Kind als auch für die ausgezahlten Geschwister.

Schenkungsteuer bei der Übertragung

Jede unentgeltliche Vermögensübertragung unterliegt grundsätzlich der Schenkungsteuer nach dem Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG). Entscheidend sind die persönlichen Freibeträge:

  • Kinder: 400.000 Euro (alle 10 Jahre)
  • Enkel: 200.000 Euro (alle 10 Jahre)
  • Ehepartner: 500.000 Euro (alle 10 Jahre)

Liegt der Wert der Schenkung unter dem Freibetrag, fällt keine Steuer an. Der Freibetrag kann alle zehn Jahre erneut genutzt werden, weshalb eine gestaffelte Übertragung steuerlich vorteilhaft sein kann.

Besteuerung der Auszahlungen an Geschwister

Wenn das beschenkte Kind seine Geschwister auszahlt, stellt sich die Frage: Handelt es sich dabei um schenkungsteuerpflichtige Zuwendungen?

Die Antwort hängt davon ab, wer die Auszahlung letztlich wirtschaftlich trägt:

  • Auflage der Eltern: Wenn die Eltern im Schenkungsvertrag die Auszahlung als Auflage bestimmen, erfolgt die Zuwendung an die Geschwister wirtschaftlich von den Eltern. Die Geschwister können ihre Freibeträge gegenüber den Eltern nutzen.
  • Freiwillige Leistung des beschenkten Kindes: Zahlt das beschenkte Kind freiwillig und ohne Verpflichtung, liegt eine Schenkung von Geschwister zu Geschwister vor. Hier gilt nur ein Freibetrag von 20.000 Euro je Geschwisterkind alle zehn Jahre.

Für steueroptimale Gestaltungen ist es daher wichtig, die Auszahlungsverpflichtung als Auflage der Eltern im Schenkungsvertrag festzuschreiben.

Erbschaftsteuer im späteren Erbfall

Bei der späteren Erbschaftsteuer werden Schenkungen der letzten zehn Jahre auf den Freibetrag angerechnet. Wer bereits zu Lebzeiten den vollen Freibetrag ausgeschöpft hat, muss im Erbfall für jeden weiteren Euro Erbschaftsteuer zahlen.

Eine kluge Gestaltung nutzt die Freibeträge optimal aus und verteilt Übertragungen zeitlich so, dass möglichst wenig Steuer anfällt.

Grunderwerbsteuer bei Immobilien

Ein großer Vorteil der vorweggenommenen Erbfolge: Bei Übertragungen zwischen nahen Angehörigen (Eltern auf Kinder) fällt keine Grunderwerbsteuer an. Diese Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 6 GrEStG gilt auch, wenn im Gegenzug Geschwister ausgezahlt werden müssen, sofern die Auszahlung als Auflage gestaltet wird.

Die steuerlichen Fallstricke bei der vorweggenommenen Erbfolge sind komplex. kumkar & co berät dich umfassend zu allen steuerlichen und rechtlichen Fragen. Vereinbare jetzt einen Termin.

Absicherung und Rückforderungsrechte

Bei der vorweggenommenen Erbfolge geben Eltern einen erheblichen Teil ihres Vermögens aus der Hand. Welche Möglichkeiten haben sie, sich abzusichern? Und unter welchen Umständen können Schenkungen zurückgefordert werden?

Nießbrauch und Wohnrecht als Absicherung

Die gängigste Absicherungsform ist der Vorbehalt eines Nießbrauchrechts oder Wohnrechts. Die Eltern können die Immobilie weiter nutzen oder vermieten und bleiben wirtschaftlich abgesichert.

Wichtig: Ein vorbehaltenes Nießbrauchrecht kann dazu führen, dass die Zehnjahresfrist für Pflichtteilsergänzungsansprüche erst mit Erlöschen des Rechts zu laufen beginnt. Dies sollte bei der Gestaltung berücksichtigt werden.

Rückforderungsrecht bei Verarmung

Nach § 528 BGB kann der Schenker die Schenkung zurückfordern, wenn er nach der Schenkung verarmt und seinen angemessenen Unterhalt nicht mehr bestreiten kann. Dieses Recht besteht auch gegenüber den eigenen Kindern.

Voraussetzung ist, dass der Schenker bedürftig wird und nicht mehr über ausreichende Mittel verfügt. Das Rückforderungsrecht gemäß § 528 BGB wegen Verarmung des Schenkers erlischt nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 BGB zehn Jahre nach der Schenkung.

Rückforderung bei grobem Undank

Eine weitere Rückforderungsmöglichkeit besteht nach § 530 BGB bei grobem Undank des Beschenkten. Dies kann etwa der Fall sein, wenn das beschenkte Kind:

  • Die Eltern körperlich misshandelt
  • Schwere Beleidigungen ausspricht
  • Die Unterhaltspflicht gegenüber den Eltern verletzt
  • Sich sonst schwer gegen die Eltern vergeht

Das Rückforderungsrecht muss innerhalb eines Jahres nach Kenntnis der Undankbarkeit geltend gemacht werden.

Rückübertragungsvorbehalt im Schenkungsvertrag

Eltern können im Schenkungsvertrag ausdrücklich Rückübertragungsrechte für bestimmte Fälle vereinbaren, etwa:

  • Tod des Beschenkten vor den Eltern
  • Insolvenz des Beschenkten
  • Verkauf der Immobilie ohne Zustimmung der Eltern
  • Verletzung von Ausgleichszahlungen an die Geschwister

Solche Rückfallklauseln sollten notariell beurkundet und im Grundbuch eingetragen werden, um ihre Wirksamkeit sicherzustellen.

Praktische Checkliste für die vorweggenommene Erbfolge

Vor der Übertragung klären:

  • Welches Kind soll welches Vermögen erhalten?
  • Sollen die anderen Kinder ausgezahlt werden?
  • Wenn ja: Sofort, gestaffelt oder im Erbfall?
  • Wie wird der Wert des übertragenen Vermögens ermittelt?
  • Soll eine Wertanpassungsklausel vereinbart werden?
  • Welche Vorbehalte (Nießbrauch, Wohnrecht) sind sinnvoll?
  • Welche Rückforderungsrechte sollen vereinbart werden?

Vertragsgestaltung:

  • Notarielle Beurkundung des Schenkungsvertrags
  • Klare Regelung der Auszahlungsverpflichtungen
  • Festlegung der Zahlungsmodalitäten (Zeitpunkt, Höhe, Staffelung)
  • Absicherung durch Grundschuld oder andere Sicherheiten
  • Vereinbarung von Zinsregelungen bei Ratenzahlung
  • Aufnahme von Rückfallklauseln für bestimmte Ereignisse

Testamentarische Begleitung:

  • Anordnung der Anrechnungspflicht im Testament
  • Regelung der Verteilung des restlichen Nachlasses
  • Pflichtteilsregelungen treffen
  • Ersatzerben benennen
  • Testamentsvollstreckung erwägen

Steuerliche Optimierung:

  • Freibeträge optimal ausnutzen (ggf. Immobilie bewerten lassen)
  • Zeitliche Staffelung prüfen
  • Gestaltung als Auflage für Schenkungsteuervorteile
  • Steuerberater einbeziehen
  • Dokumentation für Finanzamt vorbereiten

Absicherung:

  • Grundschuldbestellung für Auszahlungsansprüche
  • Versicherungslösungen prüfen
  • Bürgschaften oder andere Sicherheiten vereinbaren
  • Regelmäßige Überprüfung der Vereinbarungen

Die vorweggenommene Erbfolge ist ein komplexes Unterfangen mit vielen rechtlichen und steuerlichen Fallstricken. Lass dich umfassend beraten, um eine faire und rechtssichere Lösung für alle Beteiligten zu erreichen.

Häufige Fehler und wie du sie vermeidest

Fehler 1: Keine schriftliche Vereinbarung

Viele Übertragungen erfolgen auf Basis mündlicher Absprachen innerhalb der Familie. Dies führt später häufig zu Streit, weil die Erinnerungen auseinandergehen.

Vermeidung: Alle Vereinbarungen schriftlich und notariell beurkundet festhalten. Bei Immobilien ist die notarielle Beurkundung ohnehin Pflicht.

Fehler 2: Unklare Bewertungsregelungen

Wird nicht festgelegt, wie und zu welchem Zeitpunkt der Wert des übertragenen Vermögens ermittelt wird, sind Konflikte programmiert.

Vermeidung: Bereits im Übertragungsvertrag den Wert festschreiben oder klare Regelungen für die spätere Bewertung treffen. Gutachten einholen und dokumentieren.

Fehler 3: Fehlende Absicherung der Auszahlungsansprüche

Ohne Absicherung können Geschwister ihre Auszahlungsansprüche möglicherweise nicht durchsetzen – etwa bei Insolvenz des beschenkten Geschwisters.

Vermeidung: Auszahlungsansprüche durch Grundschuld, Bürgschaft oder andere Sicherheiten absichern.

Fehler 4: Pflichtteilsergänzungsansprüche nicht bedacht

Viele Familien vergessen, dass trotz Auszahlung der Geschwister später noch Pflichtteilsergänzungsansprüche entstehen können.

Vermeidung: Frühzeitige Übertragung (mehr als zehn Jahre vor dem Tod) oder Vereinbarung eines Pflichtteilsverzichts gegen angemessene Abfindung.

Fehler 5: Steuerliche Folgen unterschätzt

Ohne steuerliche Beratung können erhebliche Steuerbelastungen entstehen, die vermeidbar gewesen wären.

Vermeidung: Steuerberater frühzeitig einbinden und Gestaltungen auf ihre steuerlichen Auswirkungen prüfen lassen.

Fehler 6: Keine testamentarische Begleitung

Wird nur der Schenkungsvertrag geschlossen, aber kein Testament erstellt, kann es im Erbfall zu ungewollten Ergebnissen kommen.

Vermeidung: Testament parallel zum Schenkungsvertrag erstellen und alle Regelungen aufeinander abstimmen.

Frühzeitige Planung schafft Familienfrieden

Die vorweggenommene Erbfolge mit Auszahlung der Geschwister ist ein bewährtes Instrument der Vermögensnachfolge. Sie ermöglicht es Eltern, aktiv zu gestalten, wer was bekommt – und dabei dennoch für Fairness zwischen allen Kindern zu sorgen.

Der Schlüssel zum Erfolg liegt in drei Faktoren: Frühzeitige Planung, klare rechtliche Regelungen und offene Kommunikation innerhalb der Familie. Wer diese Prinzipien beherzigt, kann Vermögen übertragen, Steuern sparen und gleichzeitig den Familienfrieden bewahren.

Wichtig ist, dass alle Gestaltungen individuell auf die konkrete Familiensituation zugeschnitten werden. Es gibt keine Standardlösung, die für jede Familie passt. Eine umfassende rechtliche und steuerliche Beratung ist daher unverzichtbar.

Die häufigsten Fehler – fehlende Dokumentation, unklare Bewertungen und mangelnde Absicherung – lassen sich durch sorgfältige Planung und professionelle Begleitung vermeiden. Wer hier Zeit und Geld investiert, erspart sich und seiner Familie später oft jahrelange Rechtsstreitigkeiten.

Du planst die Übertragung von Vermögen und möchtest faire Regelungen für alle Kinder treffen? kumkar & co unterstützt dich bei der rechtssicheren und familiengerechten Gestaltung. Vereinbare jetzt einen Beratungstermin.

Häufig gestellte Fragen

Nein, grundsätzlich besteht keine automatische Auszahlungspflicht. Eine Ausgleichspflicht entsteht nur bei Ausstattungen nach § 2050 Abs. 1 BGB automatisch oder wenn die Eltern dies bei anderen Zuwendungen ausdrücklich im Testament oder Schenkungsvertrag angeordnet haben. Allerdings können Geschwister unter Umständen Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend machen.

Die Frist beginnt mit der tatsächlichen Übergabe des Geschenks. Bei Immobilien ist das die Eigentumsumschreibung im Grundbuch. Vorbehalte wie Nießbrauch oder Wohnrecht können den Fristbeginn hinauszögern.

Bei Immobilien wird nach § 2325 Abs. 2 BGB in der Regel der Wert zum Zeitpunkt des Erbfalls berücksichtigt, es sei denn, er war zur Zeit der Schenkung niedriger (Niederstwertprinzip). Wichtig ist, die Bewertung schriftlich zu dokumentieren.

Ja, unter bestimmten Voraussetzungen. Bei Verarmung (§ 528 BGB) oder grobem Undank des Beschenkten (§ 530 BGB) können Schenkungen zurückgefordert werden. Das Rückforderungsrecht wegen Verarmung erlischt nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 BGB zehn Jahre nach der Schenkung. Zudem können im Schenkungsvertrag zusätzliche Rückfallklauseln vereinbart werden.

Wenn eine Auszahlungsverpflichtung besteht, können die Geschwister diese notfalls gerichtlich durchsetzen. Daher sollten Auszahlungsansprüche durch Grundschuld oder andere Sicherheiten abgesichert werden. Bei Zahlungsunfähigkeit kann auch eine Ratenzahlung vereinbart werden.

Kinder haben gegenüber jedem Elternteil einen Freibetrag von 400.000 Euro (alle zehn Jahre). Bei Auszahlungen zwischen Geschwistern gilt nach § 16 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG ein Freibetrag von nur 20.000 Euro – daher sollte die Auszahlung als Auflage der Eltern gestaltet werden.

Nein, der Zeitpunkt der Auszahlung kann frei vereinbart werden – sofort bei Übertragung, im Erbfall oder gestaffelt über mehrere Jahre. Wichtig ist, dass die Vereinbarung schriftlich und eindeutig getroffen wird.

Das hängt von der individuellen Situation ab. Die Schenkung zu Lebzeiten ermöglicht bessere steuerliche Gestaltung durch Nutzung der Freibeträge alle zehn Jahre. Zudem können Eltern die Verteilung aktiv mitgestalten. Vererben bietet mehr Flexibilität bis zuletzt.

Ein Nießbrauchrecht ändert nichts an der grundsätzlichen Auszahlungsverpflichtung. Allerdings kann vereinbart werden, dass die Auszahlung erst nach Erlöschen des Nießbrauchs fällig wird. Zudem kann das Nießbrauchrecht den Beginn der Zehnjahresfrist verzögern.

Ja, solange alle Beteiligten einverstanden sind, können Vereinbarungen jederzeit angepasst werden. Auch hier ist eine notarielle Beurkundung erforderlich. Einseitige Änderungen sind dagegen nicht möglich.

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